Die Reiterhand/eine gedankliche Annäherung: Eines der zentralen Themen beim Reiten. Immer wieder kommen Reiter zu mir in den Unterricht, die Probleme mit der sogenannten Anlehnung haben. Die Pferde gehen sobald man den Zügel verkürzt „gegen“ die Reiterhand. Dieses Thema ist oftmals sehr vielschichtig, ein Lösungsansatz reicht häufig nicht aus.
Das Pferd: Aus meiner Erfahrung heraus, sind diese Pferde, die über einen längeren Zeitraum so „gearbeitet“ wurden, körperlich/muskulär im Ungleichgewicht. Die mentale Verfassung der Pferde zeigt auch Auffälligkeiten. Die innere und äußere Losgelassenheit ist oftmals nicht vorhanden. Bei diesen Pferden sollte man darauf Wert legen, nicht das Reiten als alleinige Arbeitsform in Betracht zu ziehen, sondern Alternativen zu schaffen. Die Pferde sollten sich ohne Reitergewicht ausbalancieren können. Bodenarbeit, Handarbeit bieten dem Pferd gute Impulse, um wieder muskulär und mental ins Gleichgewicht zu finden. Der Reiter kann darüber hinaus, seine Verbindung zu seinem Partner Pferd verbessern bzw. stärken.
Ein Equipmentcheck hinsichtlich Gebiss und Sattel sollte durchgeführt werden. Auch sollte das Pferd tierärztlich bzw. physiotherapeutisch untersucht werden, um sicher zu gehen, dass es gesund ist. Auch sollten die Zähne regelmäßig kontrolliert werden…
Nun zur Reiterhand: Wir gehen von einer Reiterhand aus, die sich aus dem locker angewinkelten Ellenbogen, aufstellen kann, so dass der Daumen nach oben schaut, ein Dach bildet. Die Finger ummanteln den Zügel, sie sind geschlossen.
Der Reiter wünscht sich eine weiche Zügelfaust/Zügelführung. Ja, dies ist wünschenswert, doch was bedeutet weich? „Weich“ ist relativ und von Mensch zu Mensch verschieden. Um dem Reiter ein Gefühl zu geben wie es sein darf, werden gerne Bilder verwendet wie: Ein rohes Ei darf nicht darin kaputt gehen, ein Vögelchen darf nicht zerquetscht werden. Auch ist es hilfreich dem Reiter etwas in die Hand zugeben, das weich ist, wie beispielsweise einen Schwamm, um die Qualität vom „weichsein“ zu spüren. Unser Partner Pferd wird uns immer widerspiegeln wollen, ob dieses „weich“ reicht, um die Reiterhand annehmen zu wollen.
Ein Reiter mit hoher Körperspannung wird den Zügel anderes halten und auf das Pferd einwirken, als ein Reiter mit niedriger Körperspannung.
Es geht um ein Gefühl beim Reiten. Oftmals verspannt sich der Reiter sobald er den Zügel vermehrt aufnimmt. Es ist wichtig den Reiter zu sensibilisieren, spüren zu lassen ab welchem Zügelmaß das „verspannen“ anfängt. Hier würde ich den Zügel nicht weiter aufnehmen lassen, da dies eher zu weiterem Gegendruck, erhöhter Anspannung beim Pferd endet. Auch verstehen viele Reiter nicht, dass die Zügelhilfe nur in Verbindung mit der treibenden Hilfe steht. Der Fokus bei der Parade steht oftmals nur in der Zügelhilfe; viele Reiter verstehen die Halbe Parade nur als Zügelhilfe, was leider falsch ist und dazu führt, dass sehr „handlastig“ geritten wird.
Der Sitz des Reiters: Die Reiterhand ist auch oftmals Ausdruck einer gesamtkörperlichen Verfassung des Reiters. Ein Reiter, der noch nicht gelernt hat losgelassen zu sitzen, wird vermehrt eine unruhige, feste Zügelführung haben. Ziel ist es an der Losgelassenheit des Reiters zu arbeiten, sodass er zügelunabhängig reitet. Nur ein Reiter der zwanglos ausbalanciert der Bewegung des Pferdes folgen kann, den Bewegungsfluss nicht stört, wird das Gefühl erreichen können, mit einer „weichen“ Hand zu reiten, um schließlich eine feine Verbindung zum Pferdemaul zu erhalten. Das Reiten aus dem Bewegungszentrum Becken spielt dabei eine zentrale Rolle.
Bei einer fehlerhaften Führung der Hände (verdeckte Fäuste, offene-, zu tiefe-, zu hohe Fäuste) sollte man um längerfristige Erfolge zu erzielen, den Arm und die Schulter gedanklich mit einbeziehen. (Evolutionsgeschichtlich ist die Hand aus der Schulter entstanden). Die Stellung des Handgelenks spiegelt die Situation im Körper wider, hat Auswirkungen auf die Finger, und beeinflusst Kraft und Beweglichkeit. Gelenke müssen in Nullposition sein, damit sie das machen, was sie sollen.
Die Reiterhand als Ausdruck des menschlichen Geistes (Die Psyche des Reiters). Ein unruhiger Geist hat eine unruhige Zügelführung. Der mentale Aspekt beim Reiten ist von enormer Bedeutung. Die Themen Angst und Unsicherheit sind bei vielen Reitern zentral. Nicht nur das Thema des „Runterfallens“, auch das Thema „Blamage“ vor anderen Reitern, wenn das Pferd nicht an den Zügel gehen will/kann. Eine losgelassene Atmosphäre in der sich Reiter und Pferde entfalten können, ist wichtig.
Die Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul ist ein Gespräch. Wie in einem Dialog hört man dem anderen zu. Wir senden Impulse und spüren/hören, was uns unser Gesprächspartner antwortet. Wenn wir Reiten bzw. die Reiterhand dahingehend verstehen, wird der Weg leichter werden. Dabei werden sicherlich Fehler gemacht und das ist ganz natürlich.
Trockenübungen mit Partner:
1. Nehmt euch einfach eure Trense mit nach Hause oder übt im Reiterstübchen mit einer Freundin. Ihr stellt euch vor, dass ihr auf dem Pferd sitzt, nehmt die Zügel auf und übt beispielsweise die annehmende- und nachgebende Zügelhilfe. Euer Partner hält das Gebiss in den Händen oder das andere Ende des Zügels und gibt euch ein Feedback. Ist eure Zügelhilfe fein oder vielleicht zu grob? Das ist eine tolle Übung zum Thema Koordination der Zügelfäuste: also die Bewegung zu steuern und zu verfeinern.
2. Übungen: Während des Reitens einfach die Hände ausschütteln, um Festigkeiten zu lösen. Einhändig Reiten als Überprüfung des zügelunabhängigen Reitens, der Fokus ist dann im Sitz.